Donnerstag, 11. Juli 2013

Hausnummern

Zusammen sind wir die Straße hochgelaufen und wollten es noch nicht zur Kenntnis nehmen. Die Hausnummern stiegen, und mit jeder Steigerung waren die Erinnerungen an der Gestorbenen klarer, und was wir sagen sollten immer diffuser. Die Worte hatten wirklich in diesem Zusammenhang keinen Sinn mehr, denn das Ereignis selbst im Grunde auch sinnlos war -- oder war es? Ich konnte nicht entscheiden, ob es ein Trost war, das es keinen Sinn hatte, oder ein Trost, einen Sinn zu erfinden, indem wir die richtigen Fragen stellen würden, die richtigen Mienen oder Vorschlägen machen würden,  die passenden Bilder und Geschichtchen beschreiben, und vor allem -- Haltung bewahren!

In der U-Bahn war die Luft noch kühl, der Wind am Eingang und der Wind am Ausgang waren wie unsichtbaren Handbewegungen: Sie dürfen herein. Aber als wir ausstiegen und die unsichtbaren Hände uns rausließen, wollte ich zurück, wollte ich im ewigen Hin und Her der Bahn bleiben, denn diese Bewegung hatte Anfang und Ende und sie waren austauschbar, im Grunde nichts, am Ende doch nur ein schaukelndes Pendel, und wenn ich einschlafen würde, wäre das egal. Es gäbe keinen Grund und keinen Anlaß zur Trauer. Nur hin und her und weg, suspendiert im Bahntakt.

Ins Freie gingen wir und die Luft war heiß, die Sonne wollte nicht nachlassen. Sie schien grellgelb und war selbst wie krank. Warum spricht man von der kühlen Luft des Todes? Es ist doch so heiß hier, wie wenn die frische Luft gestorben wäre.

Die Hausnummern stiegen. 424, 426, 428. Alles, was im Kopf lief: Nummern.

432: Da ist das Haus.  Kommt doch herein.

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