Dienstag, 26. Juni 2012

Stolpersteine

Sie, mein Herr, haben mich angeraten: ich solle mich auf diesen jetzigen Schritt konzentrieren. Das war zwar guter Rat im Allgemeinen, aber Sie waren nie in dieser Stadt, und Folgendes hätten Sie nicht erraten können: Seitdem ich hier bin, gibt es Stolpersteine. Namen, die ihr gemeinsames Schicksal aufwerfen, am Erdboden, wo ihre Asche nach langem Heimatsuchen mit Staub und Erde  sich vermischten. Und wenn die Namen unbekannt sind, gibt es einen surnom (c'est nécessaire: sauf le nom!), und dieser Name ist der schwerste Name: "Hier wohnte: Ein Mensch." Kein Engel, kein Teufel, und bloß kein Gott, kein Sonnen- oder Mondschein war das -- nur ein unbekannter Mensch, ein Abgrund, wie jeder andere. Ein Mensch, der nicht als Mensch erkannt wurde; der wurde zu einer leeren unauffälligen Urne, irgendwo in einer verstaubten Vitrine seit Jahrhunderten versteckt, des Komforts halber. Sonst sind wir auf einmal wie ein verkehrter Narziss, der sich ergriffen beugt: Schrecken vor dem eigenen Spiegelbild zu unseren Füßen durchbohrt uns durch die wehrlosen Zehen und ein Gefühl vom Rauch haucht in uns ein. Aber diejenige, die lieber den Rauch nicht merken wollen, schauen weg; nie trifft man ihren Blick, und die einst schönen Augen werden ihrer Kraft beraubt.

1 Kommentar:

Marlo hat gesagt…

Zur Erinnerung

"Der Mensch wird in der Welt nur das gewahr, was schon in ihm liegt; aber er braucht die Welt, um gewahr zu werden, was in ihm liegt; dazu aber sind Tätigkeit und Leiden nötig." HvH