Freitag, 3. Juli 2015

Die ersten Aufzeichnungen

2. Juli 2015

Diese imposante Barockkirche mit ihrem schwarzen Gittertor steht vor mir. Ich war einmal vor ein paar Jahren in dieser Kirche, einfach zu sehen, wie der Innenraum aussieht. Ich habe es vergessen... aber es war vom typischen barocken Baustil und schön, auf eine Weise, aber nach meinem Geschmack etwas zu prunkvoll, zu zuckersüß. Heute in diesem Morgenlicht, zwei Jahre später, kamm sie mir ganz anders vor. Ein schweres Gebäude, zwar mit Schnörkelei, aber gar nicht so überladen wie sie sein könnte. Draußen zumindest. Die Schatten schneiden tief, und das verleiht einen Anschein vom Gelitten-haben, vom Überstanden-haben. Aus den schattigen Tiefen heraus steigt noch ihr Ruhm.

Dass gelbe Fahnen vor der Kirche flattern ist bedauernswert. Sie haben nichts vom Grandeur dieser Kirche, stehen da zwar als Werbung und Einladung, wirken aber wie verwirrte Callagents. Vor dem Tor flatternd sind sie nicht mal lächerlich; ja, sie sind wirklich nur bedaurnswert.

Am Wochenende mit A durch die Stadt gelaufen, wie damals mit S. Wir sind an der andern Kirche vorbeigelaufen, an dieser Kirche gegenüber von der Moschee. Wir haben Witze gemacht: ja – so haben wir's uns vorgestellt – der Imam steht da oben im Minaret während der Priester in der Turmspitze hockt, und beide schneiden einander tolle Grimassen!

Dann wie eine frisch geschliffene Klinge schneiden die Wörter eines Gesprächs meine Gedanken ein. Ich habe keine Wahl und muss es mir anhören. Die Leute am Tisch neben mir...

... die African Americans, trotz allem... anders...

Es interessiert mich doch,wie andere Menschen dieses Land, wo ich geboren und aufgewachsen bin, beurteilen. Ich verstehe erst seit ein paar Jahren, wie ungewöhnlich meine Kindheit war, wie alles in Frieden abgelaufen ist, wie einige meiner besten Freunde, die auch schwarz waren,  mir nichts anders waren als eben Freunde. Es kommt mir jetzt wie eine Utopie vor. Hat es tatsächlich existiert? Oder habe ich damals nur nichts von der Gewalt gesehen?

Charleston. Ich kann es kaum glauben. Und die sieben Kirchen. Charleston hat mich bewegt wie vielleicht noch nichts, was ich je in den Nachrichten gesehen habe. Und ich muß an diesen Vortrag denken, den ich vor über zehn Jahren hörte, und wie die Vortragende – sie sprach über Faulkner – auf einmal die Schmerzensgefühle nicht mehr zurückhalten konnte und fing an zu weinen. Vor 50 Menschen.

Es ist heiß, es erinnert mich an meine Kindheit. Morgen sollte die Temperaturrekord purzeln. Ausgerechnet hier in Mannheim sollte es 41 Grad werden. Gewitter angesagt.
Wenn ich mich morgen vor diese Barockkirche setze, werde ich wieder an die Kirchenbrände in meiner Heimat denken müssen. Lass es bitte regnen.

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