Freitag, 29. Juni 2012

Proust

"Une heure n'est pas qu'une heure, c'est un vase rempli de parfums, de sons, de projets et de climats. Ce que nous  appelons la réalité est un certain rapport entre ces sensations et ces souvenirs qui nous entourent simultanément -- rapport que supprime une simple vision cinématographique, laquelle s'éloigne par là d'autant plus du vrai qu'elle prétend se borner à lui -- rapport unique que l'écrivain doit retrouver pour en enchaîner à jamais dans sa phrase les deux termes différents."
La Temps retrouvé

Dienstag, 26. Juni 2012

Stolpersteine

Sie, mein Herr, haben mich angeraten: ich solle mich auf diesen jetzigen Schritt konzentrieren. Das war zwar guter Rat im Allgemeinen, aber Sie waren nie in dieser Stadt, und Folgendes hätten Sie nicht erraten können: Seitdem ich hier bin, gibt es Stolpersteine. Namen, die ihr gemeinsames Schicksal aufwerfen, am Erdboden, wo ihre Asche nach langem Heimatsuchen mit Staub und Erde  sich vermischten. Und wenn die Namen unbekannt sind, gibt es einen surnom (c'est nécessaire: sauf le nom!), und dieser Name ist der schwerste Name: "Hier wohnte: Ein Mensch." Kein Engel, kein Teufel, und bloß kein Gott, kein Sonnen- oder Mondschein war das -- nur ein unbekannter Mensch, ein Abgrund, wie jeder andere. Ein Mensch, der nicht als Mensch erkannt wurde; der wurde zu einer leeren unauffälligen Urne, irgendwo in einer verstaubten Vitrine seit Jahrhunderten versteckt, des Komforts halber. Sonst sind wir auf einmal wie ein verkehrter Narziss, der sich ergriffen beugt: Schrecken vor dem eigenen Spiegelbild zu unseren Füßen durchbohrt uns durch die wehrlosen Zehen und ein Gefühl vom Rauch haucht in uns ein. Aber diejenige, die lieber den Rauch nicht merken wollen, schauen weg; nie trifft man ihren Blick, und die einst schönen Augen werden ihrer Kraft beraubt.

Ein Gleiches: Zweiter Teil

Ja, wir sind gleich.
Ja, ich bin Jüdin, Griechin,
Taoistin, Mörderin zugleich.
Nur das Erblicken eines langen dunklen Flurs macht den Unterschied.
Nur der erträglich flüchtige, nächtliche Atemstillstand gibt den Ausschlag.
Einst konnte ich nur vor Schönheit weinen.
Die Schönheit hat sich aber weiter in die Welt verschüttet,
kristallklarer kalter Weißwein aus dem Donauraum.
Nur, die Worte, die uns wie Wolkendunst bedecken,
werden vor dem Schönen, vor dem Leid sich lichten,
werden schwach, schüchtern
und stumm.
Nämlich:
Vor all dem, was man als groß betrachtet,
vor allem vor der Existenz,
wenn sie etwa als unendlich leerer Flur erscheint.

Sonntag, 24. Juni 2012

Ikko Narahara




Domains. Garden of Silence. 1958.

Freitag, 22. Juni 2012

Ein Gleiches

Ein Schritt zurück:
Du beugst dich leicht
vom Mund ein Wort, ein Spruch, ein Reim
die Augen, nun:
Sie gleichen ausgebleichten
Orakelknochen --
fragmentarisch, unpassend, entlassen
mein Ebenbild
nur
du scheinst anders
dein Licht ist duftiger
und Leute sehen nicht,
wir sind ja gleich

Mittwoch, 20. Juni 2012

My work is in the hands of God

"In the event of any disruptions that is a 'force majeure' (any of the following:  an act of God, fire, governmental order, court order, civil disturbance, act of public enemy, embargo, war, work stoppage or labour dispute) in the academic activity at either institution, the student's study will revert to the other." (Emphasis mine)


Legal agreements can have some awfully strange rhetoric.

Montag, 18. Juni 2012

Harry Callahan, Providence circa 1960s


This, perhaps more than any other photograph in the book on Harry Callahan I found, caught my eye. For whatever reason, I couldn't find this photo on the internet so resorted to taking a photo of it myself, and laughed a little at the multiple levels of ghostliness that inevitably ensue in such an act, with such an image (no copyright infringement intended!). But the original copy is much better than my copy of the copy, I can assure you. Although there is something about the unavoidable curvature of the page -- I tried to hold it down with a heavy crystal salt lamp and other sundry things, but in the end decided the objective flatness I was going for was as elusive as the 'object' of this photograph, just a little more mundane and less disclosing in the Heideggerian sense (this mere technical difficulty did not manifest itself as the aletheic work of art, which I am here trying(!) to depict).  And so here it is, a little off, a little incorrect, a little skewed and yet the point, the freedom of the object (dare I use such words?) still hovers somewhere in that bermuda triangle of the observer, the work, and its unfathomable Ursprung.

Why does a work like this strike us (me)? I can't answer for the rest, and yet there's something Kantian in my thinking too, that there is at least a potential for everyone else to see something I see -- not as I see it, of course. But that there will be a draw for everyone in such a piece. That I am not without reference to you. (Yes, this is all about me in a way: do I cling to this old ideal too?)

Now, I have an inclination to such objects, whatever the medium. I return to the idea of the ghost almost every day, as a preoccupation, never something I would be able to address directly -- a bit like the idea of the self or ego -- or talk about logically (don't such tenuous, in-between things resist logic?).  But they never leave me, as if I belong to them, as if I am a member of this group, a bit like Malte:


Es sind Abfälle, Schalen von Menschen, die das Schicksal ausgespieen hat. Feucht vom Speichel des Schicksals kleben sie an einer Mauer, an einer Laterne, an einer Plakatsäule, oder sie rinnen langsam die Gasse herunter mit einer dunklen, schmutzigen Spur hinter sich her. Was in aller Welt wollte diese Alte von mir, die, mit einer Nachttischschublade, in der einige Knöpfe und Nadeln herumrollten, aus irgendeinem Loch herausgekrochen war? Weshalb ging sie immer neben mir und beobachtete mich? Als ob sie versuchte, mich zu erkennen mit ihren Triefaugen, die aussahen, als hätte ihr ein Kranker grünen Schleim in die blutigen Lider gespuckt. Und wie kam damals jene graue, kleine Frau dazu, eine Viertelstunde lang vor einem Schaufenster an meiner Seite zu stehen, während sie mir einen alten, langen Bleistift zeigte, der unendlich langsam aus ihren schlechten, geschlossenen Händen sich herausschob. Ich tat, als betrachtete ich die ausgelegten Sachen und merkte nichts. Sie aber wußte, daß ich sie gesehen hatte, sie wußte, daß ich stand und nachdachte, was sie eigentlich täte. Denn daß es sich nicht um den Bleistift handeln konnte, begriff ich wohl: ich fühlte, daß das ein Zeichen war, ein Zeichen für Eingeweihte, ein Zeichen, das die Fortgeworfenen kennen; ich ahnte, sie bedeutete mir, ich müßte irgendwohin kommen oder etwas tun. Und das Seltsamste war, daß ich immerfort das Gefühl nicht los wurde, es bestünde tatsächlich eine gewisse Verabredung, zu der dieses Zeichen gehörte, und diese Szene wäre im Grunde etwas, was ich hätte erwarten müssen.


And already I've skirted around what I wanted to say -- but that's impossible anyway.

The image is familiar. At whom are we looking, precisely? This figure in the centre is inseparable from the others, is a ghost who wanders among the other ghosts. And we -- we are deceived if we think we can follow the one in isolation; we must recognise the reference to the others.

Dienstag, 12. Juni 2012

Büchner.

Where one word stands out above the rest: Wirkung. It is everywhere, like the Urgesetz (Beauty) he speaks of, active in every Satzglied, in every clause -- even sentences have 'members', like bodies, that work together and interact (aufeinander- und zusammenwirken) harmoniously (that is key!). A sentence is a translation of the physical, then. Or rather, when written, when spoken, into the physical, it is worked in.  It refers back to and comes out of it,  -- ἀναστόμωσις, like the delta of a river whose branches curl out and curve back in upon themselves, crooked but majestic. Structure, organisation, organs. Am I simply reading/writing Büchner as a Heideggerian? I cannot yet see the organisation of these thoughts. 


Translation is really (wirklich!) tortuous work.

Montag, 11. Juni 2012

Sonntag, 10. Juni 2012

perpetuum mobile

Stand still, you ever-moving spheres of heaven,
That time may cease, and midnight never come;
Fair Nature's eye, rise, rise again, and make
Perpetual day; or let this hour be but
A year, a month, a week, a natural day,
That Faustus may repent and save his soul!
O lente, lente currite, noctis equi!
The stars move still, time runs, the clock will strike,
The devil will come, and Faustus must be damn'd.

[...]

O soul, be chang'd into little water-drops,
And fall into the ocean, ne'er be found!

remarkable.

The Bubble, by Clarence H. White
or J.R. Witzel?

three points in Hildesheim


On doit toujours photographier avec le plus grand respect pour le sujet et soimême -- Cartier-Bresson






Sois présent, sois toi. Tu es ici. Les objets sont ici. Ils sont pour toi seul, car tu les vois. 
-- Proverbe lamaïste du Tibet


And in the background, unheard, the lightest tones of Franz Liszt's Via Crucis,  Jesus fällt zum ersten Mal, for instance... the second section, response.

Brief an einen jungen Leidenden

Mein junger Mann -- ich möchte dich so nennen, nicht weil du alt genug bist, nicht weil du alles als vernünftiger, mündiger Mensch behandelst, nicht weil du mit deinen 11 Jahren schon rauchst, sondern weil du in diesen Jahren deines Lebens viel zu tragen hast. Dein Anblick ist mir gleichzeitig erfrischend-- denn wer außer Kindern und Junggebliebenen hat solche ungewollte Offenheit? -- und furchtbar. Dein Gesicht scheint nicht mit dem hellen Licht eines jungen Abenteurers, deine natürlich dunkle Haut ist unnatürlich fahler geworden, deine Gesichtszüge auch kantiger, aber die Müdigkeit verleiht ihnen nur milde Kraftlosigkeit. Die Falten deiner Zukunft sind in deinem Gesicht zu lesen.

Wie viel von deiner Situation kannst du begreifen? Als ich ungefähr in deinem Alter war, war der Moment des Schocks sofort vorbei, schon weg, als ich zu mir gekommen war. Was ich zu tragen hatte, war rein Vergangenes, Überbleibsel einer Tragödie, die nicht meine war, das Nichtmehrpassieren, die Leere. Dadurch entstand vielleicht auch bei mir einige frühzeitige unsichtbare Narben, die aber nur ein Gespenst von Schmerzen ausstrahlen. Aber dein Unglück ist anschaulich. Und wäre es mir erlaubt, würde ich eine Aufnahme von dieser Anschaulichkeit machen. Deins aber, dein Leiden wandelt, lässt sich nur manchmal hervortreten. Es ergreift dich mit allen Fingern, indem du denkst, du kannst nichts tun, außer weglaufen, rauchen, schreien, klauen, um deine verfrühte Sucht zu hegen. Es droht dir, es wird deine Hände brechen. Nein, ich kann dich nicht tadeln. Denn auch indem du all dies begehst, gibst du auch anderen zu bedenken: Warum? und wie zu ändern? Und -- ja, der Mensch, von dem du klaust, freut sich über dein Besuch weiß auch vielleicht nichts von deiner Handlung, wäre auch bereit, dir alles zu geben, denn deine Anwesenheit ist ihm das Wichtige, deine Anerkennung, deine Hilfe und dein ihm ähnelndes Gesicht.

Und du bist eine Herausforderung, und ich soll mich bei dir bedanken. Du stehst uns gegenüber und wir wissen nicht, was wir tun sollen, einem Menschen überhaupt zu begegnen, gar zu helfen, wenn wir in diesem Zustand sind. Wie weiter zu verfahren?  Dein Gesicht sagt uns -- ihr könnt mir nicht helfen. Ihr seid kraftlos. Ihr seid nichts, dieser Macht der Tatsache gegenüber.

Und was sagt dir denn mein Gesicht, würde ich gern wissen, rein aus egoistischen Gründen. Ich würde gern wissen, ob das, was dein Gesicht sagt, mit deinem Sehen übereinstimmt. Auch ich verlange manchmal Validierung. Ich möchte denken, ich habe doch einen Einfluss auf dein Leben, auch wenn meine Worte von dir schon längst, seit grauer Vorzeit, verlacht, verhöhnt, verspeit sind.

Mein junger Mann, sagt die tatsächlich noch relativ junge Dame, was könnte ich tun? Möchtest du weiter so verfahren? Ist es schon zu spät, so früh?

Samstag, 9. Juni 2012

Festung

Worte, die am Ende auch gegen uns gerichtet werden,
haben wir seit Langem und öfters gehört.
Phrasen, herausgepickt ad libitum -- nie waren sie frei gegeben --
Sklaven der Sprache, des Menschen von Anfang an.

Mit diesem Kreis wird ein Verhängnis beschrieben:
Undurchdringliche, prachtvolle Festung
aus Zahlen, Worten, entseelten Namen gebaut,
und am Tor hängt die Warnung -- schräg, allerdings.


Sonntag, 3. Juni 2012

Schuld

Nicht bindend, nicht dadurch verursacht, nur im Zimmer nebenan, sozusagen. Das Gefühl des Todes des Andern war schlimm, allerhöchstens in Träumen zu spüren, die Selbstvernichtung noch unerträglicher, unergründlicher, und das Perfektseinwollen scheint knallhart grell hervor im kleinsten Detail, Gottes Sitz überwunden. Der neue Luzifer sagt: unsre Schuld ist, dass wir den Gott erschaffen haben! Es ist eine Schuld uns gegenüber! Und der Mensch sei ein produktiv gewordener Fehler.